Richard Lutz, der langjährige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, verlässt das Unternehmen vorzeitig – ein Schritt, der von vielen längst erwartet wurde. Seit seinem Amtsantritt im März 2017 war er mit großen Versprechen angetreten: die Bahn pünktlicher, moderner und effizienter zu machen. Doch trotz milliardenschwerer Investitionen und umfangreicher Reformpläne hat sich die Situation im deutschen Bahnverkehr nicht verbessert – im Gegenteil: Sie hat sich deutlich verschlechtert. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr sank auf einen historischen Tiefstand, zuletzt lag sie bei lediglich 62,5 %. Täglich verpassten Reisende ihre Anschlüsse, Züge fielen aus, Gleise waren überlastet oder schlicht marode. Die Zahl der Entschädigungszahlungen für verspätete Fahrten stieg auf ein Rekordniveau – 197 Millionen Euro allein im Jahr 2024.
Auch finanziell war die Bilanz von Lutz ernüchternd. Die Bahn schrieb unter seiner Führung über Jahre hinweg Verluste. Das Sanierungsprogramm S3, das Sparmaßnahmen, Stellenabbau und eine Umstrukturierung vorsah, konnte keine kurzfristigen Erfolge erzielen. Geplante Bauvorhaben verzögerten sich immer wieder, Sanierungen verliefen schleppend, während das bestehende Netz weiter unter der Last des täglichen Betriebs zerfiel. Der Konzern hatte zwar ambitionierte Pläne zur Modernisierung von rund 40 Hauptstrecken, doch auch diese Projekte wurden immer weiter nach hinten verschoben – mittlerweile ist eine Fertigstellung vor 2035 unrealistisch.
Parallel dazu wuchs der politische Druck. Mit der neuen Bundesregierung kamen auch neue Erwartungen an die Bahnspitze. Innerhalb des Verkehrsministeriums war Lutz spätestens seit 2024 umstritten, unter anderem wegen seines wenig transparenten Umgangs mit Personalentscheidungen bei der Tochter DB InfraGo. Dazu kam eine zunehmende Kluft zwischen Vorstand und Eigentümer, dem Bund. Die Lokführergewerkschaft GDL warf Lutz „jahrelanges Missmanagement“ vor. Die Entscheidung, ihn nun durch eine neue Führung zu ersetzen, ist letztlich Ausdruck eines tiefen Vertrauensverlusts – sowohl politisch als auch in der Öffentlichkeit.
Trotz einzelner Bemühungen blieb der große Kurswechsel aus. Richard Lutz scheiterte nicht an fehlendem Willen, sondern an den strukturellen Problemen eines Konzerns, der in seiner jetzigen Form schwer steuerbar geworden ist. Seine Entlassung ist keine Garantie für Besserung, aber ein Signal: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Die nächste Führung muss nicht nur die operativen Probleme lösen, sondern auch die grundsätzliche Frage beantworten, wie eine moderne, zuverlässige Bahn in einem föderalen, politisch aufgeladenen Umfeld funktionieren kann. Nur mit einer klaren Strategie, verlässlicher Finanzierung und echter Priorisierung kann die Bahn das werden, was sie eigentlich sein sollte: pünktlich.